Legenda aurea: Wunderheilung und Marterung zu Tode

Ein Grund für die große Verehrung des heiligen Cornelius mag darin gelegen haben, dass ihm auch Wunder zugeschrieben wurden. Nach der Legenda aurea, der Goldenen Legende, heilte nämlich Cornelius eine seit fünf Jahren gelähmte Frau. Die zwischen 1263 und 1273 abgefasste Legenda aurea war das populärste und verbreitetste religiöse Volksbuch des Mittelalters, weiter verbreitet und weit mehr gelesen als die Bibel. Ihr Verfasser, der Dominikaner Jacobus DE VORAGINE, gestorben 1298 als Erzbischof von Genua, hat in dieser Sammlung von Heiligenleben die verschiedenartigsten Quellen verarbeitet, kommentiert und daraus moralische Nutzanwendungen gezogen. Außer einer Art "Laienbrevier" bildete die Legenda aurea eine eifrig benutzte Quelle für die Prediger des Mittelalters und eine unerschöpfliche Fundgrube für die kirchliche Kunst. Nachstehend daraus die Ausführungen zum hl. Cornelius, und zwar aus der ältesten lateinischen Handschrift (1263–1273) in der Übersetzung von Richard BENZ (10. Aufl. 1984):

 

"Von Sanct Cornelius und Cyprianus.

Cornelius wird verdolmetschet: Der die Beschneidung hat erkannt. Denn er erkannte, daß man von allem Überflüssigen und Unerlaubten und auch von dem Notwendigen müsse beschnitten werden, und bewahrte dieselbe Erkenntnis. Oder Cornelius kommt von cornu, Horn; und leos, Volk; und heißt: ein Horn des Volkes, das ist: Tapferkeit des Volks..

Cornelius der Papst war ein Nachfolger Sanct Fabiani und ward mit seinen Clerikern von dem Kaiser Decius in die Verbannung geschickt; daselbst empfing er von Cyprianus, dem Bischof von Carthago, Briefe, darin er ihn tröstete. Zuletzt ward er wieder aus der Verbannung geführt und vor den Kaiser Decius gestellt. Der hieß ihn mit Bleiklötzen schlagen, da er standhaft blieb; und gebot, ihn zum Tempel des Mars zu führen, daselbst sollte er opfern oder die Todesstrafe empfangen. Da man ihn ausführte, bat ihn ein Ritter, daß er in sein Haus kehre und für sein Weib Salustia bete; die lag seit fünf Jahren gelähmt. Er heilte sie durch sein Gebet; da ward sie und ihr Mann gläubig und zwanzig Kriegsknechte mit ihnen: die wurden alle auf des Decius Befehl zu dem Tempel des Mars geführt; aber sie spieen wider das Bild; davon wurden sie mit Sanct Cornelius gemartert. Es war aber um das Jahr 253, daß der Heilige litt."

 

Bemerkenswert ist, dass die Ausführungen über Papst Cornelius sehr kurz sind, über Cyprian noch kürzer. Andere Heilige, die zumindest heute weit weniger bekannt sind, haben wesentlich mehr Raum bekommen. Dies mag vielleicht daran liegen, dass der Verfasser der Legenda aurea in Italien lebte, wo anscheinend die Verehrung des hl. Cornelius nach der Überführung seiner Gebeine nach Frankreich im Jahre 875/877 (?) keine große Bedeutung mehr hatte.

Da die Legenda aurea in der Folgezeit in den verschiedenen Ländern immer mehr ausgeweitet und ausgeschmückt wurde, ist allerdings nicht auszuschließen, dass in späteren deutschen oder französischen Fassungen längere Ausführungen zu Cornelius zu finden sind. Festzuhalten ist, dass nach den Ausführungen der Legenda aurea, die damals für alle Gläubigen maßgebend waren, Cornelius im Gegensatz zur heutigen Auffassung nicht in Centumcellae, sondern in Rom den Tod erlitt, und zwar als Märtyrer, wenn auch nicht gesagt wird, auf welche Weise. Bemerkenswert sind auch die Erklärungsversuche für den Namen Cornelius. Die nächstliegende Deutung, nämlich die Benennung nach dem berühmten römischen Geschlecht der Cornelier, wird nicht gebracht.

 

Nahm er die Gebeine von Peter und Paul aus den Katakomben?

Bei der Lebensbeschreibung des Apostels Petrus in der Legenda aurea wird Papst Cornelius ebenfalls erwähnt, allerdings nur ganz am Rande. Er heißt dort: "Zu den Zeiten des Papstes Sanct Cornelius geschah es, daß gläubige Griechen die Leiber der Apostel stahlen und davonführten". Als sie deswegen verfolgt wurden, hätten sie die Leiber bei den Katakomben in eine Kloake geworfen. Im einzelnen wird dann dort weiter ausgeführt, welche Schwierigkeiten man gehabt habe, die Gebeine der beiden Apostel wieder auseinander zu halten. Schließlich seien die Gebeine in den Kirchen beigesetzt worden, die man jedem von ihnen gebaut hatte.

Diese in der Legenda aurea geschilderte Begebenheit hat eine gewisse Entsprechung in dem um 350 entstandenen Liber Pontificalis. Danach soll Cornelius die Körper der beiden Apostelfürsten aus den Katakomben herausgenommen haben, um sie in den Vatikan zu bringen. Wie aber die von der päpstlichen Lateran-Universität herausgegebene Bibliotheca Sanctorum (1964) hierzu bemerkt, sei diese Angabe kaum glaubwürdig, da sie auf einer Passio Cornelii (= Leidensgeschichte des Cornelius) beruhe, die von sehr geringem historischem Wert sei.

 

Pancratius empfing von ihm Christenglauben

In der Legenda aurea wird Papst Cornelius auch unter der Lebensbeschreibung des Pancratius erwähnt, der früher ein bekannter Heiliger war. Kaiser Diocletian ließ ihn im Jahre 287 enthaupten, obwohl er erst 14 Jahre alt war.

Wie die Legenda aurea dazu berichtet, fuhr Pancratius, der seine Eltern in Phrygien verloren hatte, mit seinem Oheim nach Rom, wo sie ein reiches Erbe hatten. Es heißt dann wörtlich weiter: "Nun war bei ihnen in derselben Gasse Cornelius der Papst mit seinen Christen verborgen; von dem empfingen sie Christenglauben."

 

Noch andere Cornelius

Die Legenda aurea erwähnt im übrigen in der Lebensbeschreibung der hl. Nazarius und Celsus, die zur Zeit des Kaisers Nero (37 - 68) lebten und auf ihren Reisen in Trier als erste das Christentum lehrten, einen "Cornelius den Statthalter". Dieser meldete dann ihre Bekehrungstätigkeit dem Kaiser Nero. Weiterhin erwähnt sie in der sehr ausführlichen Lebensbeschreibung des hl. Clemens, der zur Zeit Kaiser Trajans (53–117) lebte, einen seiner Jünger, der den Namen Cornelius trug. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass damals im römischen Reich der Name Cornelius sehr verbreitet war.

 

"Mit Blei ausgegossenem Schwert enthauptet"

Die Aussagen der Legenda aurea wurden in ähnlicher Form bis ins 20. Jahrh. immer wieder angeführt. So heißt es in der 1898 herausgegebenen Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche (Herausg. D. Albert Hauck): "Mit Cornelius wurden noch 21 Christen beiderlei Geschlechts mit dem Schwerte, das mit Blei ausgegossen war, enthauptet". Ähnlich, aber weit ausführlicher schreibt die Enciclopedia Universal Ilustradada Europeo-Americana (Band XV, nach 1910 herausgegeben):

"Nachdem Cornelius von den Kaisern Gallus und Volusianus nach Centumcellae, heute Civitavecchia, verbannt worden war, hörte er nicht auf, Briefe an die Christen von Rom zu schreiben, in denen er sie im Glauben ermunterte. Deshalb rief ihn Kaiser Decius nach Rom zurück und drohte ihm mit dem Tode, wenn er nicht dem Gott Mars opferte. Cornelius weigerte sich und wurde deshalb enthauptet. Andere sagen mit Suyskenius (Acta SS. Bolland, 1753), dass er in Centumcellae den Märtyrertod erlitt. Bevor er ihn hinrichtete, bat ihn Cerealis, der ihn bewachte, an seinem Haus vorbeikommen und seine Frau Salustia zu besuchen, die seit 15 Jahren gelähmt war: Cornelius trat ein und heilte sie vollständig."

Noch 1949 erschien in den Niederlanden mit kirchlicher Druckerlaubnis die im nächsten Kapitel wiedergegebene "Lebensbeschreibung" des heiligen Cornelius, in der die Legende von Cerealis und Sallustia und dem Märtyrertod des Cornelius im Marstempel zu Rom breit ausgeschmückt ist. Die Legende dürfte damit zusammenhängen, dass nahe der früheren Grabstätte des Cornelius in der Callixtus-Katakombe sich eine Inschrift befindet, die lautet "Scs Cerealis et Salustia cum XXI" (= Heiliger Cerealis und Sallustia mit 21) und den Umständen nach aus der Zeit der Beisetzung des Cornelius stammen könnte.

 

 

 

 

Sein Leben – populär gefasst

Nicht die knappe, auf den wenigen verbürgten Fakten über Papst Cornelius beruhende theologische Abhandlung, wie z. B. weiter vorn im Oxford Dictionary of Popes, dürfte Jahrhunderte hindurch die volkstümliche Verehrung des Heiligen bestimmt haben, sondern die legendenhafte Ausschmückung, und dies bis in die neueste Zeit. Ein Beispiel dafür ist die nachstehende, vom Verfasser aus dem Niederländischen übersetzte Lebensgeschichte. Entnommen ist sie einem kleinen grünen Heftchen ohne Erscheinungsdatum, gedruckt in ’s-Hertogenbusch, mit dem Titel

BOEKJE

TER ERE VAN

ST. CORNELIUS

 PAUS EN MARTELAAR

PATROON TEGEN ALLE ZENUWLIJDEN

 

(= Büchlein zur Ehre des hl. Cornelius, Papst und Märtyrer, Patron gegen alle Nervenleiden)

Ein Verfasser ist nicht angegeben. Es trägt aber das Nihil Obstat, die kirchliche Druckgenehmigung, des Bistums ’s Bosch vom 25. 8. 1949.

 

Kurze Lebensbeschreibung des hl. Cornelius

Über die Jugend des Cornelius ist uns sehr wenig bekannt. Um etwa 200 nach Chr. soll er in Rom geboren sein aus einem tieffrommen und edlen Geschlecht. Er machte schnelle Fortschritte in Tugend und Wissenschaft. Hierdurch aufmerksam gemacht, weckte Papst Fabian (236–250) in ihm das herrliche Ideal der heiligen Priesterschaft. Dann durchlief er die verschiedenen Stufen der geistlichen Hierarchie, und nach dem Märtyrertod des genannten Papstes wurde er mit der Regelung der laufenden Angelegenheiten des Heiligen Stuhls beauftragt.

Zur Papstwahl zu schreiten, sollte vorläufig unmöglich bleiben. Denn der römische Kaiser Decius (249–251), der die Religion der Christen ausrotten wollte, wachte mit scharfen Augen, dass kein Papst gewählt wurde. Lieber hätte er gesehen, dass ihm jemand seine Krone streitig machen würde, als dass jemand zur päpstlichen Würde erhoben worden wäre.

Schon ungefähr 14 Monate war der päpstliche Stuhl unbesetzt, als Decius in einen Krieg mit den Goten verwickelt wurde. Diese Abwesenheit nutzte die römische Geistlichkeit, um am 4. Juni 251 einen Mann zum Papst zu wählen, der von tiefer Bescheidenheit, lebendigem Glauben, unerschütterlicher Hoffnung und brennender Liebe zu Jesus Christus und seiner Kirche war: Cornelius.

In jener Zeit den päpstlichen Thron zu besteigen, war dasselbe wie sich einem sicheren Martertod auszuliefern.

Cornelius wusste diejenigen Christen, die in ihrem Glauben abgeflaut waren, zu Leidenschaftlichkeit aufzuwecken und die, die in ihrem Glauben versagt hatten, durch Sanftmütigkeit und Liebe zu Bußfertigkeit und Rückkehr zu bewegen. So hatte er in kurzer Zeit die verstreute Herde wieder versammelt, als plötzlich die Abspaltung des Novatian das Liebesband zerbrach. Dieser, ein gelehrter und beredter, aber hochmütiger Priester, zeigte sich aus höchste erbost über die Tatsache, dass Cornelius zum Papst gewählt worden war, verleumdete ihn, warf sich selbst als Gegenpapst auf und zog eine große Zahl mit in seine Ketzerei. Er lehrte nämlich, dass ein Abgefallener niemals mehr in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen werden könnte. Papst Cornelius verurteilte ihn auf einer Synode von mehr als 60 Bischöfen. Der Unglückliche weigerte sich, sich zu unterwerfen, wurde aus der Gemeinschaft der Heiligen Kirche ausgeschlossen und verließ Rom. Friede und Ruhe kehrten in die Kirche zurück, und Cornelius kostete das Glück, die Abgefallenen mit väterlicher Güte aufzunehmen. Die Ruhe war aber nicht von langer Dauer.

Kaiser Decius hatte in seinem Kampf gegen die Goten den kürzeren ziehen müssen und war selbst, durch den Verrat seines Feldherrn, auf dem Schlachtfeld gefallen. Dieser, Gallus (251–253), folgte ihm als Kaiser und ließ anfänglich die Kirche in Ruhe. Doch eine heftige Pest brach in Rom aus, und die Heiden opferten überall den Göttern, um von diesem Unheil erlöst zu werden.* Da die Christen sich weigerten, an den Sühneopfern teilzunehmen, begann die Verfolgung erneut. Der erste der Christen, die in Rom verhaftet wurde, war Papst Cornelius. Kein einziges Mittel konnte den Papst bewegen, falschen Göttern zu opfern. Hatte der Kaiser gehofft, dass der Abfall des Cornelius Tausende von Christen mit sich ziehen würde, geschah das Gegenteil: Durch sein unerschrockenes Wort wurden die Christen in ihrem Glauben gestärkt und ermutigt, ja sogar viele, die in früheren Verfolgungen unterlegen waren, bekannten sich ohne Furcht vor dem Tod zu ihrem Glauben.

"Seid ihr Cornelius", so sprach der Kaiser in Wut, "seid ihr es, der unsere Götter verachtet, den Gekreuzigten predigt und meine Untertanen zum Aufruhr anzettelt?" "Ich liebe eure Untertanen mehr als ihr, oh Kaiser, so lautete die ruhige, aber unerschrockene Antwort, "eure Götter aber verachte ich aus meinem ganzen Herzen. Jesus Christus allein will ich dienen, Ihn allein anbeten, Ihn allein mit all meinen Kräften verehren; doch was ihr anbetet, ist nichts anderes als Holz und Stein". "Vermessener", versetzte der Kaiser, "wie wagt ihr es, mir derart zu antworten? Wisst ihr denn nicht, dass ich euch durch die ausgesuchtesten Marterungen zwingen kann, Christus abzuschwören und die Götter anzubeten?" "Solange noch Atem in mir ist", so Cornelius, "solange werde ich Christus treu bleiben, solange Seinen Glauben verkündigen; eure Peinigungen können nicht so groß sei, oder Gott kann mir die Kraft geben, sie alle durchzustehen".

Gallus verurteilte ihn nicht zum Martertod, sondern schickte ihn in die Verbannung nach Centumcellae am Thyrrhenischen Meer. Schmeichelte er sich mit der Hoffnung, dass der Heilige schließlich doch nachgeben würde? Nichts war aber imstande, den Glauben, das Vertrauen und die Liebe des Cornelius zu brechen. Voll Ergebung in Gottes Heiligen Willen ging der Papst in die Verbannung.

Kaum hatte sein Freund Cyprian, Bischof von Karthago, diese Nachricht vernommen, so schickte er ihm einen Brief, worin er ihn beglückwünschte zu der Ehre, die er genoss, für Christus leiden zu dürfen. Gleichzeitig sagte er vorher, dass sie beide bald noch ein größeres Glück kosten dürften: ihr Blut zu opfern und in den Märtyrertod zu gehen. Manche Schreiben wurden noch zwischen diesen beiden Hirten und Freunden gewechselt, und der Papst empfing viele Besuche von seinen treuen Gläubigen. Ja, selbst viele Abgefallene, gequält von der Fallsucht, bedauerten ihren Abfall und fanden bei ihm Genesung an Leib und Seele.

Dies alles brachte den argwöhnischen Kaiser zu dem Entschluss, Cornelius durch raue Soldaten, unter Führung des Hauptmanns Cerealis, nach Rom zurückführen zu lassen. Im Tempel des Telus angekommen, steht er vor dem Kaiser. Dieser ruft wütend aus: "Ist es also wahr, dass ihr die Vorschriften verachtet und euch durch euren Briefwechsel gegen das Land verschwört?" Hierauf antwortete Cornelius: "In der Tat, ich habe Briefe von meinen Gläubigen empfangen und auch habe ich Briefe an sie geschrieben. Doch dies alles hat nichts mit dem Wohl des Landes zu tun. Diese Briefe enthalten allein guten Rat, um die Seelen vor der ewigen Verdammnis zu retten." "Opfert den Göttern", erwiderte Gallus, "gehorsam gegenüber den Gesetzen des Landes oder ich lasse euch sterben." "Den Göttern opfern, das niemals", so der Papst, "die Gesetze des Reiches werde ich achten, solange sie nicht in Widerspruch stehen zu den Gesetzen Gottes. Mich sterben zu lassen in eurer Macht". Diese unerschrockenen Worte erhöhten noch den Zorn des Kaisers. Er befahl, ihn zu geißeln und ihn anschließend zum Tempel des Mars zu führen, um diesem Götzen zu opfern. Wenn er solches verweigerte, dann sollte man ihn enthaupten.

Der Hauptmann Cerealis und viele andere waren tief gerührt durch die unerschöpfliche Geduld des Heiligen auf seinem Kreuzweg, und Gott wollte Seinen Diener verherrlichen durch ein treffendes Wunder. Die Frau des Cerealis, Sallustia genannt, war bereits 15 Jahre bettlägerig durch Lähmung infolge einer Nervenkrankheit. Weder Gebete noch Opfer zu den Göttern hatten ihr helfen können. Cerealis bat den Gefangenen, über einen kleinen Umweg in sein Haus einkehren zu wollen und seine Frau zu segnen. Dieser erfüllte sein Verlangen. Durch inniges Mitleid mit jener armen Frau bewogen, kniet er nieder und betet: "Herr Jesus Christus, Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Wesen, die Ihr gewürdigt habt, uns Sünder zu erlösen; tröstet dieses eure betrübte Dienerin, damit sie eure Herrlichkeit erkenne, und schenk ihr eure Barmherzigkeit, ebenso wie Ihr dem Blindgeborenen das Augenlicht gegeben habt." Danach nimmt er sie bei der Hand, wobei er die Worte spricht, die Petrus, der erste Statthalter Christi auf Erden, einst zu dem Lahmen sprach, der in Jerusalem an der Tempelpforte lag: "Im Namen Jesu Christi, des Nazareners, gehe!" Und oh Wunder, gesund steht sie auf und ruft aus: "Jesus ist Gott und und der Sohn des Allerhöchsten." So gab der allmächtige Gott durch ein herrliches Wunder zu erkennen, dass der Gott des Cornelius der wahre Gott ist. Zusammen mit Sallustia flehen die Anwesenden den Papst, die Heilige Taufe empfangen zu dürfen. Auch Cerealis liegt knieend zu Füßen des Cornelius mit derselben Bitte. Er erfüllt ihr Verlangen. Cerealis will jetzt Cornelius nicht weiter führen zum Gerichtsplatz, sondern ihm die Freiheit schenken. Dieser fleht ihn aber an, ihm die Krone der Märtyrer nicht vorzuenthalten. Im Tempel des Mars angekommen, schaut er mit tiefer Verachtung das Standbild des Götzen an und weigert sich standhaft zu opfern. Zum Gerichtsplatz geführt, erleidet er mit Freude sein Urteil und erwirbt so am 14. September des Jahres 253 durch Enthauptung die Palme der Märtyrer. Auch Cerealis, Sallustia und viele andere kosteten das große Glück, für Christus ihr Blut geben zu dürfen.

(*Es ist auch anderweitig historisch belegt, dass im Jahre 252 in Rom Pest und Hungersnot ausbrachen und Kaiser Gallus den Auftrag an alle Römer gab, den Göttern zu opfern, um diese günstig zu stimmen.)

 

 

Die Fassung in Helden und Heilige von Hümmeler

Das deutsche Pendant oder auch die Alternative zur vorstehenden niederländischen Darstellung dürfte die nachfolgende Beschreibung in dem Werk Helden und Heiligen von Hans HÜMMELER sein, das hohe Auflagen erreichte. Das dem Verfasser vorliegende Exemplar erschien 1954 mit der kirchlichen Druckerlaubnis vom selben Jahr und lag in der Auflagenreihe 361–370 Tausend. Offenbar sind noch eine Anzahl weiterer Auflagen erfolgt. Der Text scheint aber bereits in der Zeit um 1930 entstanden zu sein. So schreibt Hümmeler im Vorwort, bei der Machtergreifung des Nationalsozialismus hätte man es für dringend notwendig gehalten, "dem falschen und verlogenen Heldenideal der Männer des Dritten Reiches das Bild der religiösen Kämpfer und begnadeten Heiligen entgegenzustellen". Sein Auftrag habe gelautet, "ihr Leben und Werk und die in ihnen leibhaft gewordenen religiösen Kräfte und Wahrheiten in knapper Form, aber historisch echt in der Sprache unserer Zeit und in Anlehnung an den kirchlichen Festkalender darzustellen". Wie es im Vorwort weiter heißt, sei das Buch in der Nazizeit "heftig angegriffen und seine Verbreitung schließlich radikal verhindert worden". Erst im Jahre 1948 habe es erstmals nach dem Zusammenbruch des kirchenfeindlichen Regimes wieder erscheinen können.

 

Cornelius                                                                                                                                                         (16.) 19. September

Zweihundert Jahre nach Christi Opfertod hatte sein Evangelium auch die letzten, einsamsten Grenzposten des römischen Weltreiches erreicht. Das Christentum war längst nicht mehr die Religion der Fischer und Eseltreiber, wie man es zu Beginn seiner Sendung verächtlich abschätzte, sondern hatte auch die vornehmsten Patriziergeschlechter der Hauptstadt erobert. Die Cornelier besaßen ihren Palast am Tiber und ihre Landhäuser in den Albanerbergen, ihre Vorfahren waren Senatoren, Offiziere, Gesandte gewesen; sie brauchten auch am Kaiserhof vor niemand zurückzutreten. Und doch hatten sie es gewagt, sich zu den verhaßten "Maulwürfen" zu bekennen, die jeder Cäsar mit Feuer und Schwert auszurotten entschlossen war. Einer von ihnen war Priester der römischen Christengemeinde und wurde, als Papst Fabian am 20. Januar 250 den Martertod erlitten hatte, vom Volk und Klerus zu seinem Nachfolger gewählt. Ein Mann seines Namens als römischer Bischof – mußte das nicht als eine offene Herausforderung der Staatsgewalt angesehen werden? Verbannung, Tod, Einziehung der Güter, alle Strafen des Hochverrats waren ihm gewiß, sobald man seiner habhaft wurde. Aber nicht deswegen sträubte sich Cornelius gegen die Bischofswürde. Seine Demut und Milde, seine versöhnliche, friedfertige Wesensart hielten sich den unvermeidlichen Kämpfen nicht für gewachsen. Nur daß die Christenheit nach dem Tode des Bischofs Fabian sechzehn Monate lang wegen der decischen Verfolgung ohne Hirten geblieben war, bewog ihn schließlich, ein Ja zum Willen Gottes zu sprechen.

Es kam, wie er es vorausgesehen hatte. Die Milde und Versöhnlichkeit, die er gegen die abgefallenen Christen der römischen Gemeinde übte, riefen einen starrköpfigen Eiferer auf den Plan, Novatian, der sich von der Kirchengemeinschaft mit Cornelius trennte, von einigen wenigen Bischöfen zum Gegenpapst ausrufen ließ und bald auch offenkundige Irrlehren über Sünde und Buße vertrat. Seine hartnäckige Bewegung breitete sich rasch über Italien und Nordafrika aus, fand aber dort in Cyprian von Carthago ihren Überwinder, während zur selben Zeit der Papst die Flammen des Aufruhrs in Italien durch ein Konzil in Rom, an dem sechzig Bischöfe teilnahmen, erstickte. Wie sehr Cornelius aber unter dieser bis dahin unerhörten Spaltung gelitten hat, ist aus der tiefen Erregung und dem kaum verhüllten Weh zuspüren, die in seinen Briefen nachzittern. Wer selbst mit Einsatz seines Lebens Christus die Treue hält, empfindet doppelt den Verrat und Haß eines anderen. Leicht drang nun auch der Wolf von außen in die verwirrte und aufgescheuchte Herde ein. Cornelius wurde verhaftet und nach Centumcellae, dem heutigen Civitavecchia, verbannt. Dort starb er schon am 14. September 253, nach der Legende mit Bleiruten zu Tode gepeitscht. In einer Seitenkapelle der Kalixtuskatakombe wurde sein Leichnam beigesetzt. Um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts fand de Rossi im Schutt eines Weinberges einen Teil der Grabplatte mit dem Namen des Papstes, eine Entdeckung, die zur Wiederauffindung der berühmtesten Märtyrergräber führte. So bahnte noch der Tote den Lebenden den Weg zu einem Heiligtum, das allen Rompilgern zum erschütternden Erlebnis wird. Seit alters her feiert die Kirche das Fest des Papstes Cornelius zusammen mit dem Gedächtnis seines großen Mitkämpfers Cyprian am 16. September.

 

 


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