Ketzer und Meuterer Jeronimus Cornelisz/Cornelissen
Wir haben das Glück, die Lebensgeschichte und die Zeitumstände noch eines weiteren historischen Cornelissen nachvollziehen zu können. Leider geht es um den negativsten Namensträger, der bisher zu finden war, um den Holländer Jeronimus Cornelisz oder Cornelissen, der 1629 als Anführer einer Meuterei vor Australien erhängt wurde. Über ihn als Hauptfigur erschien 2002 von dem englischen Historiker und Erfolgsautor Mike DASH das Werk Batavia’s Graveyard (in Deutsch Ende 2003 unter dem Titel Der Untergang der Batavia veröffentlicht und im Januar 2004 in der Sendung "Kulturreport" des ARD eingehend besprochen).
DASH schreibt in seinem Buch den Anführer der Meuterer (Jeronimus) jeweils Cornelisz, einen anderen Meuterer (Daniel) jeweils Cornelissen, damit sie der Leser besser unterscheiden kann. In den erhaltenen historischen Dokumenten wechselt die Schreibweise ohne System zwischen der abgekürzten Form Cornelisz und Cornelissen. Gesprochen wurde der Name aber immer Cornelissen oder Cornelisson (hierzu mehr im Kapitel "Endungs-z = Sohn von"). Bei den im Buch erwähnten Seeleuten tauchen noch sieben mit dem Vornamen Cornelis auf. Der Name war offenbar damals in den Niederlanden weit verbreitet.

Anführer der "blutigsten Meuterei der Geschichte"
Auf dem Bucheinband des von der Presse hoch gelobten Werks heißt es quasi als Untertitel:
The True Story of the Mad Heretic Who Led History’s Bloodiest Mutiny
(= Die wahre Geschichte des verrückten Ketzers, der die blutigste Meuterei der Geschichte anführte)

In der deutschen Ausgabe lautet der Untertitel:
Sie strandeten im Paradies, doch ein einzelner Mann machte ihnen das Leben zur Hölle
Jeronimus Cornelisz wurde etwa 1598 in Leeuwarden im Norden der Niederlande geboren, besuchte die Lateinschule und wurde wie sein Vater Apotheker. 1627 ließ er sich als solcher in Haarlem nieder, damals nach Amsterdam die bedeutendste Stadt der Niederlande. Der Sohn aus seiner Ehe mit Belijtgen Jacobsdr starb schon nach einigen Monaten an Syphilis, wobei es zu langen Auseinandersetzungen mit der übel beleumdeten Amme kam, die Belijtgen beschuldigte. Dies und die schlechte allgemeine Wirtschaftssituation waren wohl die Hauptgrund dafür, dass Cornelisz die Apotheke bald wieder aufgeben musste. Offenbar um wieder an Vermögen zu kommen, trat er in den Dienst der damals mächtigen Vereinigten Ostindischen Kompagnie (VOC) und schiffte sich Ende Oktober 1628 als zweitoberste Person (noch über dem Kapitän) auf einem neu erbauten Ostindienfahrer, eines der größten und modernsten Schiffe der damaligen Zeit, in Amsterdam ein. Schon während der Fahrt nach Ostindien plante er zusammen mit dem Kapitän eine Meuterei, um sich in den Besitz des Schiffes mit dessen Geldkisten und anderen Wertsachen zu setzen. Am 4. Juni 1629 nach sieben Monaten Fahrt lief das Schiff mit über 330 Menschen an Bord westlich von Australien auf ein Riff auf und strandete. 40 Menschen ertranken in der Brandung, die anderen konnten sich auf einer nahe gelegenen kleinen Insel retten.

Der Befehlshaber der Batavia und der Kapitän fuhren mit einem Boot nach Batavia um Hilfe zu holen. Somit wurde der wortgewandte Cornelisz die höchste Amtsperson für die Zurückgebliebenen. Mit einer Schar auf ihn eingeschworener Anhänger richtete er ein grausames Schreckensregime auf. Etwa 120 Menschen wurden auf seine Veranlassung oder mit seiner Billigung in Abständen willkürlich getötet. Ein Teil der Passagiere, vor allem Soldaten, konnten auf einer Nachbarinsel eine Zuflucht finden. Nach fast drei Monaten kam der Befehlshaber mit einem Schiff zurück, um die Menschen und Wertgegenstände zu bergen. Auch dieses Schiff versuchte Cornelisz mit seinen Anhängern an sich zu bringen. Die Meuterer konnten aber überwältigt werden. Nach eingehenden Verhören, deren Protokolle erhalten sind, wurde Cornelisz mit einigen seiner Anhänger an Ort und Stelle gehängt, nachdem man ihm vorher die Hände abgeschlagen hatte. Der Schiffbruch der Batavia und die Meuterei - nur ein Drittel der ursprünglich 341 Menschen an Bord hatte überlebt - erregten bereits damals erhebliches Aufsehen.

Ungewöhnliche Persönlichkeit
Trotz aller neuen Recherchen durch DASH geben Cornelisz’ Charakter und Denken immer noch Rätsel auf. Offenbar war er ein Psychopath, jedenfalls für seine Zeit ein ganz ungewöhnlicher Mensch. Er wuchs in einer Familie von Wiedertäufern auf, die wie das 1534/35 von der Sekte im westfälischen Münster errichtete "Königreich Sion" zeigt, höchst ungewöhnliche Glaubens- und Sozialvorstellungen hatten. Durch Cornelisz’ Bekanntschaft mit dem Haarlemer Maler Torrentius (ursprünglich Johannes van der Beeck, dessen Frau Cornelia hieß) wurden seine "ketzerischen" Ansichten offenbar noch nachhaltig verstärkt. Anscheinend sah Cornelisz alles, was er tat, als von Gott bestimmt an. Bedauert hat er seine Taten offensichtlich nie. Bis zuletzt versuchte er, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden.


Die Batavia, 1995 fertiggestellter Nachbau des 1629 vor Australien gestrandeten Ostindienfahrers gleichen Namens.
Über die Schiffbrüchigen übte Jeronimus Cornelissen ein Schreckensregiment aus (Foto 6.5.2004).


Nachbau der Batavia ein Publikumsmagnet
1963 wurden Reste des Wracks wieder entdeckt. Auch ein Anzahl der Skelette wurden gefunden. Im gleichen Jahr erschien das Buch der australischen Schriftstellerin Henrietta DRAKE-BROCKMAN Voyage to Disaster (= Reise ins Desaster) über den Schiffbruch und die Meuterei. 1966 folgte das Buch von Hugh EDWARDS Islands of Angry Ghosts (= Inseln der verärgerten Geister), 1993 das Buch The First and Last Voyage of the Batavia = Die erste und letzte Reise der Batavia) von Philippe GODARD. Das große Interesse führte dazu, dass die Batavia mit Hilfe von über 300 freiwilligen Helfern originalgetreu nachgebaut wurde. Nach zehn Jahren Bauzeit wurde sie am 7. April 1995 in Lelystad (etwa 50 km nordöstlich von Amsterdam) von Königin Beatrix eingeweiht und ist seitdem ein Publikumsmagnet. Sie gilt als das weltweit schönste Beispiel eines originalgetreu nachgebauten Schiffs aus dem 17. Jh. Zwischendurch lag sie von Ende 1999 bis Anfang 2001 in Sidney vor Anker und war dort zu den Olympischen Spielen ein großer Anziehungspunkt. In Lelystad wurden bis April 2004 3.103.000 Besucher gezählt. Zum großen Erfolg trägt auch bei, dass inzwischen in unmittelbarer Nachbarschaft das Nieuw Land Poldermuseum und das Nederlands Sportsmuseum errichtet wurden. Hauptanziehungspunkt ist aber wohl der umfangreiche Fabrikverkauf von Markenartiklern, der dort unter dem Namen "Batavia Stad" in Gebäuden erfolgt, die der historischen Ansiedlung Batavia auf Java (heute Jakarta) nachempfunden sind.

Der mit der Batavia entstandene Komplex "ist eine Reise wert" - zumindest aber einen Umweg.

Lelystad – benannt nach Cornelis Lely
Man mag sich fragen, warum ein so historisches Schiff gerade in Lelystad nachgebaut wurde und dort vor Anker liegt, denn Lelystad ist ebenso wie das Land ringsum erst in den letzten Jahrzehnten dem Wasser abgerungen worden. Es ist ein Polder. Für die Cornelius/Cornelissen gibt es eine Verbindung. Die erst 1966 gegründete Stadt ist nach dem Ingenieur Cornelis Lely benannt, der die Pläne für den Abschluss der früheren Zuiderzee gegenüber dem Meer und die Schaffung der heutigen Provinz Flevoland entwickelte.
Weiter zum nächsten Kapitel: In Antwerpen 15 historische Cornelissen-Grabmäler
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